Er ist der stille, der leise Rennfahrer und Mensch: Mattias Jeserich (54), bekennender Familienmensch, Kaufmann aus Berlin und Rennfahrer aus Leidenschaft. Fahrer in der Amateurmeisterschaft im Porsche Carrera Cup Deutschland in seinem zweiten Jahr.
6/28/2020
Gespräche und Interviews mit Matthias Jeserich sind stets von der angenehmen Art. Präzise Antworten wechseln sich mit den Phasen des Nachdenkens ab. Das Phrasendreschen gehört nicht zu seiner Welt, lieber plaudert er über Lebensweisheiten, aus denen in jedem Satz deutlich wird, dass Rennsport vieles, aber nicht alles ist. „Meine Familie ist mir wichtig, meine Frau und meine kleine Tochter, die im letzten Jahr – einen Tag nach unserem Finale auf dem Sachsenring – geboren wurde“, erzählt er und macht so bereits vor Beginn des Motorsport-Talks deutlich, dass Leben aus sehr viel mehr besteht, als nur „im Kreis-fahren“. Und trotzdem ist genau das für ihn sehr wichtig. „Der Sport und speziell der Motorsport ist Lebensbereicherung für mich. Neben Beruf und Familie habe ich in meinem Leben immer irgendetwas für mich gemacht und dabei versucht, dass genauso gut zu machen wie alles andere im Leben.“ Und das macht er gerne und mit Leidenschaft, ist Feuer und Flamme, für das was er tut. Rennsport ist zwar „nur“ ein Teil seines Lebens, aber den nur nebenher zu machen, kommt für ihn nicht in Frage. Wenn, dann bitte richtig.
„Und da ich in der letzten Saison zwar grundsätzlich gut gefahren bin, aber auch einige Fehler gemacht habe, trete ich jetzt wieder an - um gut zu fahren, um möglichst wenig Fehler zu machen und letztendlich auch um den Meistertitel in der Amateurwertung zu kämpfen“, definiert er seine Ziele für die neue Saison des Porsche Carrera Cup Deutschland.
Es war ein großer Schritt für ihn 2019 vom Porsche Clubsport in den Carrera Cup aufzusteigen. „Das ist eine völlig andere Liga“, dreht er seine Erinnerungen an das Premierenjahr noch mal auf links, in dem Adrenalin gleich hektoliterweise durch seine Adern floss. „Du triffst auf viele junge Leute, die im Motorsport richtig was erreichen wollen, fährst eben nicht nur gegen Hobbyfahrer. Die Gangart ist ein wenig härter, es kostet mehr Geld, aber es war es wert, den Aufstieg gemacht zu machen“, begründet er seine Idee, nach Jahren des Hobby-Rennsports in die höchste Klasse der Markenpokale in Deutschland aufzusteigen. „Da habe ich richtig hart arbeiten müssen“, gibt er zu. „In den Schoß gefallen ist mir nichts. Ich hatte mich dichter an der Konkurrenz gesehen, habe zu viel Fehler gemacht, über die ich mich noch heute ärgere. Es war aber ein klasse Jahr, das Spaß gemacht hat, das mich viel hat lernen lassen – man wächst schließlich an seinen Aufgaben.“
Nicht der Titel sei der Fokus für die Saison 2020, sondern eine konstant gute Leistung in Verbindung mit wenig Fehlern sei sein Wunsch, erzählt er. „Dann kommt ganz sicher nahezu automatisch auch der Meistertitel im Amateur-Championat mit ins Spiel“, vertraut der Mensch Jeserich auf die Fähigkeiten des Rennfahrers. „In dieser harten Meisterschaft darfst du dir keine Fehler leisten. Gute Leistungen und vor allem Punkte in jedem Rennen werden ganz wichtig sein. Dabei möglichst keine Ausfälle zu haben, wird bei der kompakten Saison 2020 von September bis November zu einem ganz wichtigen Kriterium werden.“
Denn wenn Rennen wie englische Wochen Schlag auf Schlag auf Team und Fahrer einprasseln, würde im Falle eines Unfalls kaum Zeit bleiben, den Porsche 911 GT3 Cup wieder top auf die Räder zu stellen. „Das ist vor allem bei mir ein Thema, denn im Gegensatz zu anderen Mannschaften wird mein Auto nicht in einem großen Team-Workshop vorbereitet, sondern bei uns in Berlin, bei meinem Freund Ingo Rimpler, der mich seit Jahren im Rennsport begleitet und für die Technik meines Elfers zuständig ist.“ Eingesetzt wird das Dienstgerät an den Rennwochenenden dann vom Team CARTECH Motorsport by Nigrin, der Mannschaft von David Prusa. „Ingo, Matthias und ich kennen uns schon seit Jahren, arbeiten hervorragend zusammen“, sagt Teamchef Prusa über die Dreierbeziehung aus Fahrer, Techniker und Teamchef.
„Da habe ich doch mit meinen 54 Lebensjahren erkennen müssen, dass das pure Rennfahren nicht ausreicht, um im Carrera Cup ganz vorne zu fahren“, lächelt Matthias Jeserich ein wenig, als er erklärt, dass im Dezember 2019 ein Profi-Rennsimulator im Hause Jeserich einzog. „Diese Art der virtuellen Vorbereitung gehört einfach dazu, um im realen Cup erfolgreich zu sein. „Ich werde keine zehn Jahre mehr im aktuellen Rennsport fahren und wenn ich jetzt Erfolg haben will, muss ich auch jetzt alles dafür tun“, begründet er die Anschaffung eines Rennsimulators, der bei jungen Rennfahren seit Jahren eher zur Grundausstattung des Lebens gehört. „Ich übe sehr fleißig, will auch diese Möglichkeit nutzen und bin deshalb auch beim Race at Home des Porsche Carrera Cup Deutschland angetreten.“ Ganz zufrieden sei er mit seiner Leistung beim virtuellen Cup aber nicht gewesen, kritisiert der Mensch den Rennfahrer. „Da ist noch Luft nach oben.“
Vieles habe er aber trotzdem mitnehmen können, ins reale Leben des Carrera Cups. „Wir waren in Dubai und am Lausitzring testen und da hat sich die virtuelle Vorbereitung bereits ausgezahlt. Die Abläufe im richtigen Rennauto waren plötzlich selbstverständlicher. Ich war sehr zufrieden mit dem realen Testtag und den guten Ergebnissen.“
„Von mir aus kann es mit dem Porsche Carrera Cup Deutschland nun losgehen. Ich wäre soweit“, ist sich der Mensch Matthias Jeserich sicher, dass der Rennfahrer Jeserich für sein zweiten Jahr im Cup alles getan hat, um das was er so gerne tut, erfolgreich zu machen.